lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Unfallkreuze Trauerorte am Straßenrand
Unfallkreuze
Trauerorte am Straßenrand




Christine Aka

Reihe: Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland


Waxmann
EAN: 9783830917908 (ISBN: 3-8309-1790-2)
299 Seiten, paperback, 16 x 24cm, 2007, ca. 120 teilw. farbige Abbildungen

EUR 19,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Kleine Kreuze am Straßenrand sind in den letzten Jahren zu einem überall zu findenden Symbol dafür geworden, dass an dieser Stelle ein Mensch bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Über viele Jahre gestalten Angehörige und Freunde diese Todesorte auf oft anrührende Weise. Für dieses Buch hat die Autorin eine Vielzahl solcher Todesorte dokumentiert und über Jahre beobachtet. Nicht nur die Kreuze, sondern vielfältige Collagen von Liebes- und Freundschaftsbeweisen, Kerzen und Geschenken machen die Unfallorte zu kleinen individuellen Pilgerstätten. Gespräche mit Angehörigen und Freunden zeigen, wie der Todesort in die Trauerverarbeitung eingebunden ist, wie er Gefühle hervorruft und der Suche nach Trost und Nähe dient. Als Indiz für öffentliche Trauer regen Unfallkreuze damit zum Nachdenken über heutige Formen von sinnstiftenden Ritualen und individueller Spiritualität an.



Christine Aka, geboren 1962 in Vechta (Niedersachsen), studierte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Volkskunde, Geschichte und Ur- und Frühgeschichte. Nach mehrjähriger Berufstätigkeit in verschiedenen westfälischen Museen machte sie sich als Autorin und Ausstellungsmacherin selbständig. Sie lehrt als Dozentin am Seminar für Volkskunde/Europäische Ethnologie in Münster und arbeitet vor allem zu Themen der Frömmigkeitsgeschichte und Religionsforschung.
Rezension
Es ist ja irgendwie auch (beschämend für die christlichen Kirchen und) bezeichnend, dass eine Volkskundlerin, eine Ethnologin, sich der bedeutsamen Trauerkultur am Straßenrand, den Unfallkreuzen, in ihrer Habilitationsschrift zuwendet, - und eben nicht die Theologie oder Religionspädagogik mit ihren ungleich häufigeren Dissertationen und Habilitationen: Wie nah sind Theologie und Kirche (noch) an den Menschen und Gläubigen der Gegenwart? Wird die Alltagsreligiosität tatsächlich wahrgenommen? Hier exemplifiziert u.a. an den Verkehrs-Unfall-Straßenkreuzen auf der B 64 (Münster - Bielefeld -Paderborn). In Deutschland sterben noch immer fast 7000 Menschen jährlich bei Verkehrsunfällen, - Grund genug, das Thema jedenfalls im schulischen Unterricht - in welcher Art auch immer - zu thematisieren. Die Grundtehese des Buches lautet: Unfallkreuze sind ein ethnologisch relevanter Indikator für kulturelle Wandlungsprozesse des Trauerverhaltens: memento mori, Mnemolocus und Trauerritual in der Postmoderne.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland
herausgegeben von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen Landschaftsverband Westfalen-Lippe

--------------------------------------------------------------------------------
Die Reihe Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland wurde 1972 von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe gegründet. Seitdem sind 100 Titel erschienen, vor allem Quellen zur Kulturgeschichte und Volkskunde und Untersuchungen zu allgemeinen und speziellen volkskundlichen Themen wie z.B. Arbeit und Arbeitsgerät, Handwerk, Hausbau und Wohnungseinrichtung, Feste und Bräuche.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9

Eine Straße regt zu Fragen an 11

1. Markierte Orte eines gewaltsamen Todes - ein globales
Phänomen und seine Präsenz in Medien und Wissenschaft 20

2. Das Aufstellen von Kreuzen — ein alter Brauch? 26

Diskussionen um Bräuche 26
Martin, „Fatzo" und Nicole 28
Performative Geste der Krise? 30

3. Das Material 36

Feldforschung an der Straße 36
Unfallkreuze und Verkehrsunfälle in der Statistik 38

4. Gespräche mit Angehörigen 42

Die Suche nach Trauernden 42
6 Beispiele 46
Zur Rekonstruktion der letzten Minuten 57
Der Umgang mit der Leiche 60

5. Zur Bedeutung der Orte 63

Die Gestaltung des Unfallortes in den ersten Tagen 63
Erinnerungsorte 71

6. Historische Orte eines plötzlichen Todes in Westfalen-Lippe 74

Religiöse Hintergründe 74
Die Bedeutung des Plötzlichen 77

7. Das Kreuz heute 82

Herstellung und Gestaltung 82
Das Kreuz als Mahnung und Memento mori 86

8. Das Kreuz als Zeichen für Trauer 90

Verdrängte Trauer als Topos 90
Das Trauma der Trauer - die andere Bedeutung des Plötzlichen 93

9. Trauerrituale als Hilfen der sogenannten Affektabfuhr? 95

Alte Bräuche und neue Trauerrituale 95
Phasen der Trauer 96

10. Der markierte Unfallort als öffentlicher Trauerraum 99

Unfallorte in der Phase des Schocks 99
Das Kreuz als Symbol des Todes und öffentlicher Trauer 100
Privatisierte Trauer - Verstecken der Gefühle 102
Der Todesort als Ort der Anteilnahme 106
Kreuze als Symbole von Schuldzuweisungen 110
Zerstörungen am Kreuz 119
Die Wahrnehmung anderer Kreuze 121
Ämter und Behörden 122

11. „Das Kreuz soll bleiben" 128

Die Perfektionierung des Trauerortes 128
Der Trauerort als Zeichen lange andauernder Trauer 134

12. Trauerort Friedhof 136

13. Elemente von Collagen einer fortgesetzten Beziehung 144

Erinnerte und erdachte Bedeutungen 144
Lichter und Licht 145
Blumen und Bäume 150
Dekoration mit Tierfiguren und Herzen 154
Kuscheltiere und Spielzeug 157
Bier und Zigaretten 158
Fotos aus dem Leben 160
Botschaften und Grüße 162

14. Die Integration der Trauer - die adaptive Phase 169

Verantwortung und Pflege 169
Verordentlichung 173
Trauerorte und Anniversary-Ereignisse 178
Der Einfluss von Selbsthilfegruppen und Therapeuten 181
DerEinfluss von Ratgeberliteratur 183
Jammerecken und Erinnerungsrituale 188

15. Die Dinge und ihre Beziehung zu den Toten 191

Dinge der Nähe - Dingbedeutsamkeit 191
Brückenobjekte 194
Die Suche nach den Toten - Imaginationen und die Präsenz des Abwesenden 198
Gaben, Geschenke, Opfer 204
Farbabbildungen

16. Symbolische Kommunikation als Brücke zur Transzendenz 209
Christliche Tradition 209
Postchristliche Beziehungen zumNuminosen 214
Vorzeichen des Todes 221
Populäre und populäre Spiritualität 223

17. „Brückenköpfe in fremde Territorien" - Orte, Symbole und Handlungen 230

Der Ort 231
Erinnerung 232
Nähe und Kommunikation 234
Sinngebung und „Psychokultur" 235

18. Summary 238


Anmerkungen 243

Literatur 279