Liebe Leserin,
lieber Leser!
Am Ende eines Arbeitstages, ich bin müde, also einfach noch ein bisschen
Fernsehen. Beim Durchzappen bleibe ich bei einem Film hängen: ein Animationsfi
lm mit Knetfi guren, »Mary und Max«. Mary, Einzelkind, Außenseiterin,
kommt eher zufällig dazu, Max einen Brief zu schreiben. Max antwortet
tatsächlich; seine autistische Störung macht den Kontakt eigenwillig
und erfrischend ungewöhnlich. Eine verwickelte Geschichte beginnt.
Im letzten Brief schreibt Max an Mary: »Der Grund, warum ich Dir vergebe,
ist, dass Du nicht vollkommen bist. Du bist unvollkommen, und ich
bin es auch. Alle Menschen sind unvollkommen« (vgl. den Beitrag von
Th omas Kroll, S. 268ff ). Können wir theologisch mehr über den Menschen
sagen? Vollkommen Mensch sein heißt, unvollkommen Mensch sein –
und dennoch ist es schmerzhaft , wenn wir das Unvollkommene konkret
erleben. Mühsam ist, wenn wir selbst – berufl ich wie privat – »unvollkommen
« sind. Die Beiträge beleuchten aus verschiedenen Perspektiven, was
es bedeutet, diesen Spagat religionspädagogisch ernst zu nehmen, nach
Verbesserung zu suchen und doch auch das Unvollkommene annehmen
zu können. Monika Jakobs hat den Heft schwerpunkt betreut.
Die Bildserie zeigt, dass auch ein Blick auf die Kunst des Geigenbauens
helfen kann: »Der Geigenbauer muss dem Holz gerecht werden, nicht umgekehrt
… Es ist ein ständiges Wechselspiel zwischen Zulassen und Gestalten
« (265). Martin Schleske lehrt uns mit der Kunst des Geigenbaus auch
das Leben ein bisschen besser zu verstehen.
Meiner Erfahrung nach sind »Mord und Totschlag in der Bibel« oft die
einzigen wirklich spannenden Texte für Schülerinnen und Schüler, die
Auseinandersetzung mit Gewalt fasziniert – damals wie heute. Vielleicht
fi nden Sie im zweiten Schwerpunkt Anregungen für das nächste Schuljahr.
Vorerst aber, für die Ferien, wünsche ich Ihnen: dass Sie wochenlang vollkommen
unvollkommen sein dürfen – und dass Sie sich genau darin vollkommen
wohlfühlen können!
Helga Kohler-Spiegel
Schriftleiterin
Inhaltsverzeichnis
(Un-)Vollkommen Mensch sein
Monika Jakobs
238 Bin ich gut genug? Jugendliche zwischen
Perfektionierungs- und
Normalisierungsdruck.
Bert Roebben
241 Abenteuer »Mensch werden« Statt Wissenszuwachs
sollte in der Bildungsdiskussion
mehr die Person im
Mittelpunkt stehen – der Mensch,
der wachsen und reifen darf.
Wolfgang Broedel
248 Vom heilpädagogischen Religionsunterricht
lernen Heilpädagogischer Unterricht
ist kein Sonderfall, sondern geradezu
der Modellfall religiösen Lernens.
Uta Bange, Karin Nachbar
253 Der Coaching-Boom Was steckt hinter
dem großen Interesse an Coaching?
Wer sind die Anbieter?
Marianne Brandl
258 Persönlichkeitstraining mit der Klasse
Einige Hilfestellungen, worauf man
bei der Auswahl eines Trainers achten
sollte.
Helga Kohler-Spiegel
262 Wenn Kinder in der Schule »nicht
genügen« »Schwieriges« Verhalten
in der Schule – und wie Lehrkräft e
damit umgehen können.
Martin Schleske
265 Geigenbau als Gleichnis für unser Leben
Warum man mit der Faser des Holzes
und nicht gegen sie arbeiten muss:
Zur Bildserie dieses Heft es.
Thomas Kroll
268 »Mary & Max«: Ziemlich beste, unvollkommene
Brieff reunde Ein skurriler
Animationsfi lm über Anderssein,
über Schuld und Vergebung.
Günter Lange
272 Otto Dix – die Sehnsucht des Heim kehrers
Ein kleines Selbstbildnis des Kriegsheimkehrers
stellt die Frage, was unser
Leben trägt.
Andreas Rode
276 Akzent »Am Ende heilig«
Der Bergeversetzer: König Olaf II.
278 Gefunden und notiert
Gewalt in der Bibel
Sandra Hübenthal, Philipp Lüttgens
280 Biblische Mordfälle vor Gericht Gerichtsprozesse
im Rollenspiel – mit der Bibel
auf der Anklagebank.
Stephanie Ernst
289 Simson läuft Amok Gerade durch die
Distanz zu unserer Zeit eignet sich
Ri 16 auch als Text, um über Gewaltpräven
tion nachzudenken.
Christian Schramm
296 Wie verstehst du, was du liest: Alltagsexegesen
Wie mit »Sinn-Flut« und Auslegungsvielfalt
kritisch-konstruktiv
umgegangen werden kann.
FARBDRUCK | Otto Dix, Sehnsucht
Seite 274a
Patricia Hinz
302 Im Blick: Jugendarbeit
HotSpots: Jugendkirche auf Tour
306 Bücher
311 Auslese
312 Impressum
Praxisbeilagen
Materialbrief GK 2/2012
Nach der Katechese ist vor der
Katechese. Planung und Reflexion
von Kate hesen